Papas Unfall hat alles verändert. Bisher waren wir – zwar nicht besonders schnell, aber entspannt – durch die See geschippert. Und dann kam der Tag des Unfalls. Der größte und stärkste unserer vier Maste brach.
Wir alle waren mit der Situation völlig überfordert. Zuerst waren wir nur panikartig damit beschäftigt, das Schiff vor dem Kentern zu bewahren. Vor allem meine Mutter hat bei diesem Einsatz damals ihre ganze Kraft gelassen.
Wir (Sie) haben es irgendwie geschafft. Trotzdem war nichts mehr so wie vorher. Wir waren geschockt, erschöpft und als Familie nicht in der Lage es gemeinsam zu lösen, gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Jeder von uns versuchte auf seine Weise die Kontrolle wiederzuerlangen, die heile Welt von vorher wiederherzustellen. Mein Vater durch noch mehr Dominanz, Kontrolle und Machtausübung – die den Anderen auf Grund der katastrophalen Situation mehr als unpassend und lächerlich erschien. Meine Mutter half sich durch den Missbrauch von Alkohol. Mein Bruder flüchtete irgendwann durch
Marihuana in eine andere Welt. Das und ein damit direkt verbundener, vermeintlich starker Freundeskreis, der ihn ablenkte vom täglichen Chaos, von unserem neuen Leben. Ich versuchte – mehr denn je – meine im Laufe der Jahre selbstkreierte Rolle der lieben, fleißigen und hübschen Tochter zu perfektionierten. Eine Essstörung half dabei.
Viele Jahre spielten wir dieses groteske Theaterstück. Mehr für die Anderen, als für uns selbst. Bis heute weiß ich nicht, wie wir das alle so lange durchgehalten haben. Vieles ist dadurch kaputtgegangen, Vieles haben wir verpasst. Als Familie, aber auch als einzelner Mensch.
Irgendwann ist jeder von uns seinen ganz eigenen Weg gegangen und jeder hat auf seine Weise versucht sein Leben wiederherzustellen, seine Wunden zu heilen. Wir alle werden diese Zeit nie vergessen, auch wenn wir heute nicht mehr oft darüber sprechen.
Bei Jedem von uns hat diese Zeit tiefe Narben hinterlassen. Manche Wunden müssen heute noch behandelt werden. Trotzdem sind wir alle als Familie wieder zusammengewachsen und haben uns gegenseitig – und ich hoffe auch jeder sich selbst – verziehen.
Für Iggy