Wer kann sich schon entscheiden

Ich mein ich bin sehr gern allein,
denn es ist so schön, so schön, so schön
ein Cowgirl zu sein, ein Cowgirl zu sein.
Ich will ein Cowgirl sein,
so richtig mit Pferd und Lasso
und Cowboystiefeln und allem drum und dran.

Doch deine Stimme sie klingt so furchtbar weich am Telefon.
Denn ich weiß es geht dir nicht besonders gut,
Du sagst: „Wer kann sich schon entscheiden,
es ist so schwer in dieser Zeit.
Es wär nur schön, wenn du mich ab und zu besuchst.“

Ich weiß, du bist auch so viel gelaufen,
doch gefunden hast du nichts,
was nicht schon jetzt in deiner Eingangstür steht.
Es ist so traurig, wenn man sieht,
wieviel Zeit man dafür aufbringt.
Vielleicht kann ich dich eines Tages ja verstehen.

Vielleicht werd ich eines Tages wach und ich werd sagen:
„Es ist schön in deine Augen zu sehen,
denn ich war lange unterwegs.
Doch jetzt ist es Zeit mal was zu wagen.
Ich mein, ich bin sehr gern allein,
doch es ist so schön, so schön, so schön zu Hause zu sein, zu Hause zu sein.“

(leicht abgewandelt) von Gisbert zu Knyphausen

Wer kann sich schon entscheiden

Packliste

Ich packe meinen Rucksack und nehme mit: All meine verborgenen Sehnsüchte. Einen Korb voller Träume. Die Tränen in meinen Augen. Dankbarkeit für jeden neuen Tag. Mein Lächeln. Meinen Mut und meine Abenteuerlust. Die Neugier auf alles Neue. Meine Menschenkenntnis- und -liebe. Die Gelassenheit, die Dinge anzunehmen, wie sie kommen. Mein großes Herz. Die Tiefen meiner Seele. All die Liebe, die mir von Freunden und Familie mitgegeben wurde. Meine verborgenen Talente. Tausend schöne Erinnerungen. Mein großes Vertrauen in die Zukunft. Die Zuversicht und Gewissheit, dass alles gut wird. Ein paar kleine Ängste (am besten ganz unten im Rucksack verstaut). Meinen Sinn für Gerechtigkeit. Den Spaß an all den neuen Aufgaben, die mich erwarten. Meine Offenheit gegenüber anderen Kulturen und Menschen. Meine Liebe für das Leben. Mein sonniges Gemüt. Den Glauben an mich selbst.

Packliste

Never give up

Ich kenne mich aus mit Wurzelbehandlungen. Zwei hatte ich schon. Eine davon besonders langwierig und kompliziert. Immer wieder meldete sich die Wurzel oder was von ihr übrig geblieben war. Sie war nicht gerade gewachsen, entsprach nicht der Norm. Sie machte einen Bogen und die Wurzelspitze war auf normalem Weg nicht zu erreichen. Das verdammte Ding! Man konnte ihr mit den üblichen Gerätschaften und Methoden nicht zu Leibe rücken. Es folgte eine Wurzelspitzenresektion unter Betäubung von gefühlt 17 Spritzen.

Zunächst sah es sehr erfolgreich aus und schien erledigt, doch nur wenige Wochen später meldete sich das Übel wieder. Dieses Mal in Form einer Fistel. Eine Miniwurst wuchs aus meinem Zahnfleisch. Ich versuchte dieses kleine Stückchen Fleisch liebevoll aufzunehmen und als zukünftigen Mitbewohner meines Mundraums zu akzeptieren – meine Nächstenliebe reichte nicht aus. Wurzelspitzenresektion 2.0 folgte. Die neue Zahnärztin war eine Mischung aus Musicalstar und Metzgergeselle. Ich fühlte mich bestens entertaint und konnte danach tatsächlich mit dem Kapitel „letzter Backenzahn linke Seite“ abschließen.

Bis vor einigen Wochen. Ganze fünf Jahre später meldete sich besagter Zahn wieder. Eigentlich schon totgeglaubt, eine bloße Hülle. Meine Backe schwoll an. Ein Eiterherd hatte sich gebildet. Wieder mussten wir – ich und meine neue Zahnärztin, eine sehr feinfühlige Frau, fernab von allen Metzgerallüren – uns des Zahnes annehmen. Auch dieses Mal war es eine sehr langwierige Prozedur. Wir zitterten bis zum Ende, ob eine Rettung gelingen würde. Es hat geklappt. Und ich bin glücklich – auch wenn es eigentlich nur eine Hülle ist. Irgendwie gehört er eben zu mir.

Never give up

Das Schicksal eines Piraten

Jahrelang hat er gesucht. Immer wieder ist er zur gleichen Stelle gesegelt. Egal wie hoch die Wellen schlugen, egal, wie wenig Zeit er hatte. Immer wieder ist er um dieselbe Stelle gekreist. Hat gesucht. Alleine, zu Zweit, mit Verstärkung von Spezialisten, mit Verbündeten. Hat gegraben, abgewartet, Geduld geübt, meditiert, gehofft, Hoffnung gehabt, die jäh erschlagen wurde.

Er ist nicht der Einzige, der dort gesucht hat. Viele andere verzweifelte Seelen hat er getroffen. Manche sind hängengeblieben, haben sich ihrem Schicksal ergeben. Mit dem Wissen, dass auch sie den Schatz nie finden werden, ihm so aber am nächsten sind. Andere suchen schon lange nicht mehr, haben sich damit abgefunden und sind längst auf der Suche nach einem anderen Ziel. Er schafft das noch nicht.

Er wird den Schatz nie in seinen Händen halten. Das weiß er mittlerweile. Aber die Hoffnung wird er nie aufgeben. Weil er spürt und weiß, dass er dort ist. Tief vergraben und wahrscheinlich nicht zu bergen. Doch solange der Schatz noch dort ist, nicht zerstört wurde oder von Jemand Anderem ausgegraben, wird er weitersuchen. Die Karte ist eingebrannt in seinem Kopf.

Viele Schmerzen musste er auf seinem Weg dorthin ertragen, viele Kämpfe austragen, viel hat er verloren, aber auch sehr viel gelernt. All das hat ihn stark gemacht, für die vielen anderen Abenteuer, die er auf den Weltmeeren zu bestehen hat.

Das Schicksal eines Piraten

Weit gekommen

Gerannt, gefallen, gehüpft, gelaufen – Schritt für Schritt. Gewandert, gestelzt, geklettert, getanzt – die ganze Nacht. Nach oben, ganz nach unten, zur Seite, daneben und ganz gezielt. Auf dem Skateboard, Wakeboard, Kiteboard, Snowboard. Huckepack oder auf den Schultern von tollen Männern, an der Brust meiner Mutter, in den Armen meines Vaters. Einbeinig, zweibeinig, freibeinig, mit Krücken und immer wieder barfuß. Im Flugzeug, Paraglider oder von meinem Fahrrad geflogen. Auf Rollschuhen, Inlinern, Schlittschuhen, Longboards, Segways. Virtuell, digital, real, im Traum, in meinen Träumen. Auf meinem Globus, der Weltkarte, in Filmen oder auf meiner Weltreise. Im Gummiboot, dem Holz- oder Fischerboot, im Segel- und im Ruderboot, im Kayak und Kanu, der Fähre und im Speedboot. Geschnorchelt, getaucht, geschwommen, gepaddelt. Brust, Kraul, Rücken – hab ich alles drauf – danke großer Bruder. Im Kinderwagen, Einkaufswagen, Lieferwagen, Quad, Tuktuk oder Traktor. Horrortrip durch Kambodscha, auf dem Motorrad durch Laos, im Schlafbus durch Vietnam, nächtliche Roller-Jungfernfahrt ins Thailand. Kilometerweit mit meinen heissgeliebten Fahrrädern – kein Ende in Sicht. Mit meinen eigenen, fremden, geliehenen, geteilten und gecrashten Autos. VW, BMW, Jeep, Fehler-In-Allen-Teilen und immer wieder Opel. Mitgezogen, anerzogen, durchgezogen. So weit bis hierhin…

Weit gekommen

Nie mehr ohne

Stimmungen schwanken, Gefühle wanken und ich gebe nach. All meinen Gefühlen. Ich lade sie ein bei mir zu sein, viel Zeit mit mir zu verbringen. Sie dürfen bleiben, so lange sie möchten. Wir hören Musik – traurige und fröhliche, laute. Wir weinen und wir lachen, bis wir Bauchschmerzen haben. Wir schauen uns Schnulzen an und Actionfilme. Wir tanzen und schreien vor Glück, wir atmen. Wir reden und schreiben unsere Geschichten nieder. Wir versuchen uns einzuordnen und uns neu zu definieren.

Aber wir gehen uns nie aus dem Weg – meine Gefühle und ich – nie mehr.

Nie mehr ohne

Aus der Form

Und was ist, wenn man merkt, dass man gar nicht dazugehören will? Dass man nicht Sklave sein möchte von Anerkennung, Liebe, Lob und Zuwendung. Was ist, wenn man sein eigenes Ding machen will, wenn man Niemanden brauchen und autonom sein möchte?

Und was ist, wenn man merkt, dass man es noch lange nicht kann? Das man abhängig ist und wie ein schlaffes Fähnchen im Wind. Dass man Muster durchläuft, Mechanismen bedient, dass man nicht die Energie hat, die schweren Pfade zu gehen und wie eine Kugel beim Roulette-Spiel immer dort einrastet, wo es nichts zu gewinnen gibt.

Und was ist, wenn man merkt, dass wir im Grunde alle die gleichen Probleme, Sehnsüchte und Wünsche haben und dass nur wir – ganz alleine – unser Glück schmieden und formen können?

Und was ist, wenn man merkt, dass es keine feste Form gibt, dass sich alles immer ändert und dass jede Kontrolle, Sicherheit und Planung eine komplette Illusion ist und das Leben sowieso macht, was es will?

Ist das nicht unglaublich verwirrend? Ist das nicht unglaublich befreiend?

Aus der Form