Früher gab es bei uns einen kleinen Laden um die Ecke. Immer wenn meine Mutter am Samstag Nachmittag etwas vergessen hatte – damals machten die Läden samstags alle noch um 13 Uhr zu und meine Mutter hatte immer etwas vergessen – musste ich ganz schnell losrennen und das Entsprechende holen.
Tante Itts Laden war damals die perfekte Welt. Sie war klein, überschaubar, die Menschen darin waren mir vertraut und es gab leckere Sachen darin, von denen ich wusste, dass sie mir schmecken. Ich bewegte mich sicher und selbstbewusst in dieser Welt und wusste genau was ich wollte mit meinen 5 Jahren.
Manchmal durfte ich mir bei den samstagnachmittäglichen Ausflügen vom Geld meiner Mutter noch etwas kaufen. Süßigkeiten waren tabu, aber ein Erdbeerjoghurt war in Ordnung. Bei Tante Itt gab es genau zwei Erdbeerjoghurtsorten. Der eine schmeckte mir persönlich nicht, aber der andere war sehr sehr lecker! Cremig, süß und mit leckeren Erdbeerstückchen darin – genau das Richtige für mich kleines Schleckermaul.
Irgendwann, als ich gerade die dritte Klasse erfolgreich hinter mich gebracht hatte, machte Tante Itt zu. Still, heimlich und leise, ohne mir Lebewohl zu sagen. Mein kleines Kinderherz hat ihr das bis heute nicht verziehen. Keiner hatte nach meiner Meinung gefragt, es gab keinen Artikel in der Zeitung, keine Abschiedsparty, Keinen interessierte es wirklich.
Danach war zuerst eine Wäscherei darin, später eine Dönerbude.
Nun musste ich samstags noch weiter rennen, in den großen Supermarkt in der Innenstadt. Das Laufen machte mir nichts aus – war ich doch mittlerweile ein großes Schulmädchen – ich nahm das sportlich. Aber der Supermarkt überforderte mich. Klar, auch hier gab es Huba Buba und Ahoi-Brause, aber Erdbeerjoghurt kaufte ich selbst nie wieder. 10!!! verschiedene Sorten standen dort zur Auswahl. Nur den leckeren Joghurt von Tante Itt fand ich nicht. Alle standen sie bereit, um von mir probiert zu werden. Am Ende ging ich erdbeerjoghurtlos nach Hause. Irgendwie unbefriedigt, aber auch mit der Sicherheit, nicht enttäuscht zu werden.
Bald rannte ich gar nicht mehr. Schließlich macht man ab einem gewissen Alter aus reinem Trotz nicht mehr das, was die Eltern wollen. Außerdem änderten sich die Öffnungszeiten in dieser Zeit. Weniger Stress für Alle, irgendwie. Aber auch weniger Aufregung, weniger Struktur. Erdbeerjoghurt gab es bald im Supersonderangebot. Nimm 10, zahle 7! oder so. Ich hätte also jeden Tag Erdebeerjoghurt haben können, wollte ich aber nicht.
Viele Erinnerungen habe ich behalten an Tante Itt und ihren Laden. Aber die Sicherheit, mich im Angebot der Welt zurechtzufinden, ist mit dem kleinen Laden gegangen und ich bin schon die ganze Zeit auf der Suche nach ihr.
Erdbeerjoghurt habe ich natürlich immer wieder probiert in meinem Leben. Besseren und schlechteren, süßeren, mit mehr Erdbeerstückchen oder wie sich manchmal – am Ende des Bechers herausstellte – mit gar keinen.
Heute bin ich erwachsen, die Welt liegt mir zu Füßen. Ich kann kaufen und essen was ich will. Ausprobieren, Langzeitstudien durchführen oder nur mal kurz beim Nachbarn probieren.
Und so löffele ich mich weiter durch den Überfluss an Erdbeerjoghurtsorten und durch das Leben, auf der Suche nach dem süßen Geschmack des Erdbeerjoghurts von damals und die Sicherheit in der kleinen Welt von Tante Itts Laden.
Vielleicht sollte ich auf Himbeere umsteigen.